Lilly, komm raus, komm zeig dich. Nicht nur der
Direktor möchte dich sehen. Die ganze Welt sitzt
erdnußknabernd, oh hör nur wie die Chipstüten
krachen, rosarote Blasen platzen, kleben, gib doch
mal die Bierflasche rum, Gluck, Gluck, weg ist sie.
Steck mir noch eine Salzstange rein, ein
Käsehäppchen hinterher. Keines mehr da? Mann, wann
kommt sie endlich, Wir wollen Lilly Braun. Wir
wollen Lilly Braun.
Ja Lilly, hörst Du sie jetzt, die Meute, die auf
deinen Auftritt wartet. Willst du die enttäuschen?
Los, raus aus dem Elfenbeinbett.
Ein kleines schwarzes Loch lugte unter der
Bettdecke hervor. Lilly in der Höhle. Da kam die
Mutter angerannt, schnappte die weiße Wolke, zog,
und Lilly lag bloß. Fünf hellblaue Würste - das
hatte ein elastischer Schlafanzug aus ihren Armen,
Beinen und dem Rumpf gemacht. Jemand hatte mit der
Gabel draufgedrückt, da war Lillys Gesicht
herausgequollen. So sah es aus. So sahen es die
Mutter und das kauende Publikum.
Applaus für Lilly gab es nicht. "Aufstehen,
aufstehen", hieß es statt dessen. Ach, die Welt
stand quer an diesem Morgen. Der Mutter stürzten
drei Lockenwickel vom Kopf, einer steckte Lilly im
Fuß, als sie davonhumpelte - erst über eine roten
Filzteppichboden, dann über Linoleum, über
Holzdielen einen langen Gang aufs Klo. Dort saß sie
tränenüberströmt und drohte der Toilettentür mit
der geballten Faust.
Lilly war neun und, seit sie vier war, renitent,
sagten die Eltern. Gestern erst wieder hatte der
Direktor zu Hause angerufen, so geschrien, daß ein
paar Schräubchen aus dem Telephon gesprungen
waren.
Einen Freund hatte sie, alt wie sie selbst, doch
groß wie Rußland, in Lillys Augen, und böse,
undurchsichtig, finster. Mit ihm war sie gestern
durch die Schule gerast, jeder eine
Plastik-Kalaschnikow in der Hand, Lilly ein
schweres Schild schleppend. "Paß auf, es erschlägt
dich gleich", schrie er noch. "Raff, Raff", stand
...
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