TONINO GUERRA
Der Staubwirbel
Im Tal der Krater gibt es jedes Jahrhundert ein oder zweimal einen Wind,
der Staubwirbel heißt und entlang der trockenen Trichter der Krater aus
dem Untergrund der Erde aufsteigt und wie die Zunge mausender Katzen drei
Tage lang Häuser und Gesichter der Bewohner leckt. Dann verlieren alle
ihre Erinnerung: Die Söhne erkennen ihre Väter nicht wieder, Frauen nicht
ihre Männer, die Mädchen nicht die Verlobten, Kinder nicht die Eltern, und
alles wird ein Chaos neuer Gefühle.
Schließlich wird der Wind vom Innern der Krater aufgesogen, legt sich und
langsam wird alles wieder wie früher und niemand erinnert sich an das, was
während der drei Tage des Staubwirbels geschehen war.
(Abschnitte aus: Tonino Guerra, Staubwirbel: Geschichten für eine ruhige Nacht, Klöpfer & Meyer, Tübingen, 1997.)
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