Hexe
Die Monde gehen auf, die Monde gehen nieder;
Mein Tag ist immer doch der gleiche Tag.
Du liebes Angesicht. Dich kränzen bunte Lieder,
Der Meise blaues Läuten, schwarzer Amselschlag.
So sammetschwarzer Amselschlag, du Helle,
So silberweißer Flöteojubel, dunkles Bild.
Waldmädchen du. Die Moose hüten deine Schwelle.
Zu deinem Brunnen bückt das Wild
Die braunen Häupter mit den sprießenden Geweihen.
Und deine Nächte sind
Ganz angefüllt mit seltnen pfauenfarbnen Schreien
Und ginstergelbem Flüsterwind.
Smaragdeidechse. Kleine goldenbraune Schleiche,
Um die noch Glanz des Laubes schwärt,
Das sommermüd verfällt in Elsenspiegel, Teiche
Und mit dem Schweigen abwärts fährt.
Mein einziger Besitz. Dich kann ich immer wandeln,
Verzaubern dich. Ich kann dir Hexe sein.
So werd in meinem Park ein Strauch mit süßen Mandeln,
Auf meinem Tische Glas mit bernsteinklarem Wein.
Durchsichtig reife Erde. Komm, ich will dich trinken,
Dich Kraft. Und eine Mauer sehn,
Die schwere bronzne Löwenklau der Pforte klinken
Und wieder unterm Baum des Paradieses stehn.
Gertrud Kolmar
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