Title: Das Tier

Author:KOLMAR GERTRUD
Subject:POETRY
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Das Tier


Komm her. Und siehe meinen Tod, und siehe dieses ewige
Ach,
Die letzte Welle, die verläuft, durchzitternd meinen Flaus,
Und wisse, daß mein Fuß bekrallt und daß er flüchtig war
und schwach,
Und frag nicht, ob ich Hase sei, das Eichhorn, eine Maus.

Denn dies ist gleich. Wohl bin ich dir nur immer böse oder
gut;
Der Willkürherrscher heißest du, der das Gesetz erdenkt,
Der das nach seinen Gliedern mißt wie seinen Mantel,
seinen Hut
Und in den Mauern seiner Stadt den Fremdling drückt und
kränkt.

Die Menschen, die du einst zerfetzt: an ihren Gräbern liegst
du stumm;
Sie wurden leidend Heilige, die goldnes Mal verschloß.
Du trägst der toten Mutter Haut und hängst sie deinem
Kinde um,
Schenkst Spielwerk, das der blutigen Stirn Gemarterter
entsproß.

Denn lebend sind wir Vieh und Wild; wir fallen: Beute,
Fleisch und Fraß -
Kein Meerestau, kein Erdenkorn, das rückhaltlos ihr gönnt.
Mit Höll und Himmel schlaft ihr ein; wenn wir verrecken,
sind wir Aas,
Ihr aber klagt den Gram, daß ihr uns nicht mehr morden
könnt.

Einst gab ich meine Bilder her, zu denen du gebetet hast,
Bis du den Menschengott erkannt, der nicht mehr Tiergott
lieb,
Und meinen Nachwuchs ausgemerzt und meinen Quell in
Stein gefaßt
Und eines Höchsten Satz genannt, was deine Gierde schrieb.

Du hast die Hoffnung und den Stolz, das Jenseits, hast noch
Lohn zum Leid,
Der, unantastbar dazusein, in deine Seele flieht;
Ich aber dulde tausendfach, im Federhemd, im Schuppen -
kleid,
Und bin der Teppich, wenn du weinst, darauf dein Jammer
kniet.

Gertrud Kolmar



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